WISSENSCHAFT UND FAMILIE
Aktuelle Väterforschung und Besonderheiten bei Akademikern
Immer mehr Väter bringen sich aktiv im Familienleben ein. Welchen speziellen Herausforderungen begegnen Väter, die in der Wissenschaft tätig sind?
Von Lieselotte Ahnert 27.06.2025
Für eine der bislang wichtigsten gesellschaftlichen Veränderungen des 21. Jahrhunderts steht die Entwicklung neuer Leitbilder für Väter (ILO 2009; Schoppe-Sullivan & Fagan, 2020). Abgebildet wird dies durch die aktuelle Väterforschung in Mutter-Vater-Kind-Familien. Sie zeigt, dass die heutigen Väter im Grunde genommen weitaus ausgeprägter als ihre eigenen Väter nicht nur für ihre Familien gute Lebensbedingungen schaffen wollen. Sie wollen in ihren Familien den Alltag aktiv mitgestalten und sich dabei auch um die Kinder kümmern. Und ihre Partnerinnen wirken an den neuen Leitbildern mit – sie halten einige herkömmliche Vatermerkmale für selbstverständlich, erwarten jedoch gleichzeitig die Umsetzung neuerer Merkmale eines aktiven Vaterseins.
Die traditionelle Versorgerrolle
Interessanterweise besitzt die traditionelle Versorgerrolle auch heute noch ein hohes Maß an Verbindlichkeit. Denn eine Vaterschaft scheint in einem erheblichen Maße von finanziellen Sicherheiten abzuhängen. Stehen junge Männer erst am Anfang ihrer beruflichen Laufbahn und verfügen dementsprechend über ein relativ geringes Einkommen, verlagern sie in der Regel die Vaterschaft zeitlich nach hinten. Das erklärt unter anderem, warum Akademiker ihr erstes Kind im Durchschnitt deutlich später bekommen als Männer mit kürzeren Ausbildungszeiten.
Konkret heißt das: Männer, die eine universitäre Ausbildung eingeschlagen haben, sind bis Mitte dreißig zu fast 80 Prozent noch kinderlos, während dies für nur circa 40 Prozent der Männer gleichen Alters zutrifft, die einen beruflichen Bildungsweg gegangen sind. Erst ab Mitte dreißig wendet sich das Blatt. Je mehr ein Akademiker dann verdient, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, dass er eine feste Partnerschaft eingeht und Kinder hat. In den höchsten Einkommensgruppen gibt es schließlich nur noch einen kleinen Anteil an Nichtvätern.
Ein gutes und verlässliches Einkommen des Mannes erhöht damit die Wahrscheinlichkeit einer Vaterschaft, auch für weitere Kinder. Und das nicht nur mit einer Partnerin, die in einer unsicheren beruflichen Situation ist und selbst wenig Chancen auf dem Arbeitsmarkt hat. Im Gegenteil: Es sind heute eher die beruflich sattelfesten Frauen, die mit einem solchen Partner eine Familie gründen (Rost, 2007; Brose 2008).
Ausgabe 6/25
Fordernde Aufgaben Die neuen Anpassungsleistungen können allerdings auch gesundheitliche Folgen für die Väter haben: Wurden Väter mit Kleinkindern nach etwaigen gesundheitlichen Befindlichkeitsstörungen befragt – beispielsweise nach Kopfschmerzen, Erschöpfung oder Durchschlafproblemen in der Nacht – gaben sie signifikant mehr Beschwerden im Vergleich zu Vätern an, die das traditionelle Versorgermodell als Alleinverdiener lebten und sich aus der Familienarbeit und Kinderbetreuung weitgehend heraushielten.
Im Wissenschaftsbetrieb wirkt sich die unsichere Zukunftsplanung der Karriere auf die Befindlichkeit der Väter noch zusätzlich negativ aus. Auch untergraben die typischerweise ungeregelten Arbeitszeiten – durch die Absprachen nicht eingehalten und Erwartungen nicht erfüllt werden können – das Vertrauen der Väter in ihr familiäres Engagement. Es scheint, als wenn der Spagat zwischen Beruf und Familie für Väter noch immer eine unvertraute Herausforderung ist. Nicht nur, dass es ihnen oft an überzeugenden Vorbildern mangelt. Viel zu selten sind sie bereit, sich und anderen einzugestehen, dass sie im Alltag zwischen Beruf und Familie an ihre Grenzen kommen (Ahnert, Teufl, Supper & Piskernik, in Vorbereitung).
Erfolgreiche Elternschaft
Sicherlich müssen Männer in die Vaterschaft erst hineinwachsen, und dabei dürfte klar sein, dass ihnen das kaum allein gelingen kann – sie sind auf die Kooperation mit ihren Partnerinnen angewiesen. Auf der Grundlage unzähliger Elternumfragen, Mütter-Väter-Interviews und Paarporträts hat Feinberg (2003) eines der renommiertesten Modelle der erfolgreichen Elternschaft entwickelt, das fünf Themenbereiche in den Mittelpunkt stellt: Allen voran ist es die Arbeitsteilung in Haushalt und Kinderbetreuung (Thema 1 = division of labour), gefolgt von klaren Absprachen im Umgang mit dem Kind (Thema 2 = child-rearing agreement).
Des Weiteren sollen Aushandlungsprozesse ein ausgewogenes Familienklima sichern (Thema 3 = management of family dynamics), das durch positive Kommunikation und gegenseitige Unterstützung aufrechterhalten wird (Thema 4 = support). Auf dieser Basis kann das Paar dann das Engagement des anderen beurteilen und wertschätzen, wobei unsachliche Kritik, Schuldzuweisungen und Herabsetzungen weitgehend vermieden werden, da es schlussendlich darum geht, sich gegenseitig zu unterstützen, sich den gemeinsamen Alltagsanforderungen zu stellen und dazuzulernen. Es braucht die Solidarität des Elternpaars (Thema 5 = solidarity) – und es zählt neben den Erfahrungen mit dem Kind auch das Bewusstsein dafür, dass und wie sich die Partnerschaft unter den neuen Umständen entwickelt.
Dort, wo diese Art der Modelle für die Väter greifen, hat sich bereits eine neue Sicht auf die Solidarität der Geschlechter ergeben, die sich in kameradschaftlich geprägten Partnerschaften widerspiegelt. Denn eins ist klar: Wenn das Paar ein Gefühl dafür entwickelt hat, wer was leisten kann und wo gegenseitige Unterstützung gefragt ist, trägt das nicht nur dazu bei, die Autonomie beider Partner zu stärken, sondern auch dazu, dass die Väter beginnen, neue Kompetenzen zu entwickeln (Cowan & Cowan, 1992; Kuo, Volling & Gonzalez, 2017; Piskernik & Ahnert, 2019).
Schwerpunkt „Work-Life-Balance“
Ausgewählte Beiträge zum Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie und einer gelungenen Work-Life-Balance bei Tätigkeiten in der Wissenschaft finden Sie in unserem Themenschwerpunkt „Work-Life-Balance“.
Väterkompetenzen in der Kinderbetreuung
Nicht selten entstehen unmittelbar nach der Geburt des Kindes Beziehungsprobleme und Partnerschaftskrisen. Die frühere Verbundenheit und Intimität scheinen verschwunden – Streit und Konflikte sind dagegen an der Tagesordnung und treten viel häufiger auf als bei Paaren, die im gleichen Zeitraum ohne Kinder geblieben sind. Es gibt unzählige Forschungsberichte, wonach sowohl die Partnerschaftsqualität als auch die Partnerschaftszufriedenheit mit dem ersten Kind rapide sinkt (zum Beispiel Belsky & Kelly, 1994).
Für die Väter geht es jetzt häufig vorrangig um die Pflege der Partnerschaft, um Entlastungen im neuen Familienalltag und um Kompetenzen in der Kinderbetreuung. Es werden konkrete Alltagskompetenzen benötigt, die einen flexiblen und souveränen Umgang mit dem Kind ermöglichen. Die aktuelle Väterforschung verweist auf fünf Grundkompetenzen, die bei jedem Vater naturgemäß unterschiedlich stark ausgeprägt sind: (1) Geduld für das Kind aufbringen, (2) eine Bindung zu ihm aufbauen und aufrechterhalten, (3) sich angemessen durchsetzen sowie (4) ausreichende Aktivitätsfelder mit dem Kind finden und (5) seine Aktivitäten und Entscheidungen unterstützen (vergleiche Wenger- Schittenhelm & Walter, 2002). Nicht immer wird es dabei den Vätern leicht gemacht, diese Kompetenzen zu entwickeln.
Laut umfangreicher Beobachtungs- und Befragungsstudien (Cowan & Cowan, 1992) bekamen junge Väter aus dem eigenen familiären wie beruflichen Umfeld immer wieder zu hören, sie sollten doch lieber auf Beruf und Karriere setzen, als sich so ausgiebig in die Kinderbetreuung einzubringen. Das Unverständnis war erst recht groß, wenn die Väter sogar berufliche Aufstiegschancen ausschlugen, um stattdessen mehr Zeit mit ihrem Kind verbringen zu können. Auch eine ambivalente Haltung der eigenen Partnerin konnte den Eindruck vermitteln, als wäre die Väterkompetenz nicht wirklich von hohem Wert: Wenn sich die Väter besonders gut um die Belange ihrer Kinder kümmerten, fühlten sich manche Mütter in ihrer eigenen Rolle verunsichert – sie freuten sich einerseits zwar über die väterliche Unterstützung, drängten andererseits ihre Partner aber gern zurück in die Arbeitswelt. Und wenn sich die Väter darauf einließen, wurde ihnen dieser vermeintliche Rückzug prompt wieder zum Vorwurf gemacht.
Schwierig wurde es, wenn Mütter von ihren eigenen Vorstellungen zur Kinderbetreuung nicht abrücken konnten. Dann kam auch vor, dass sie ihre Partner übermäßig kontrollierten, kritisierten und eingrenzten. Ein solches Verhalten – als Gatekeeping vielfach untersucht – unterwandert logischerweise eine gemeinsame Elternschaft. Will sich ein Paar in Familie und Beruf gleichermaßen engagieren, muss es die Verantwortung für die Kinderbetreuung auch vertrauensvoll teilen können. Die Väter geben auf, wenn sie sich durch das Gatekeeping in ihrem Engagement geringgeschätzt und letztlich blockiert sehen (Fagan & Barnett, 2003; Schoppe-Sullivan et al., 2008).
Wichtige Entwicklungsimpulse
Eine zentrale Problematik der Väterforschung betrifft die Frage nach den Entwicklungsimpulsen, die insbesondere von Vätern ausgehen können. Dabei ist zu beobachten, dass sich das Vaterverhalten zunächst dem kindlichen Verständnishorizont anpasst. Sind bestimmte Verhaltensweisen im Umgang mit dem Kind erprobt und erfolgreich, werden sie auch von den Müttern übernommen und ähneln damit einander.
Die späteren Verhaltensunterschiede aufseiten der Väter haben viel damit zu tun, dass deren Rolle nach wie vor eher unscharf definiert ist, während die Rolle einer Mutter mehr oder weniger klar umrissen zu sein scheint: Von ihnen wird erwartet, dass sie ihren Kindern Alltagswissen beibringen – sie sollen sie an die täglichen Herausforderungen heranführen, unterweisen und korrigieren – hierbei wird auf bewusste Strategien in der Sozialisation eines Kindes gesetzt. Von Vätern erwartet man dagegen eher Unterhaltung, Überraschungsmomente und die besonderen Erlebnisse, die den Alltag zusätzlich bereichern (Ruiz, … & Ahnert, 2020).
Andersartige Impulse für den Spracherwerb
Die jüngste Väterforschung zeigt, dass gerade in der Andersartigkeit des Väterverhaltens wichtige Impulse für die Entwicklung des Kindes verborgen sind – wie beispielsweise im Spracherwerb, der zentral in der Frühentwicklung von Kindern ist und in einem hohen Maße von seiner Umwelt geprägt wird. Denn es ist die umgebende Sprachwelt, durch die das Kind die Bedeutung der Wörter und Sätze in ihrer täglichen Anwendung kennenlernt. Väter sind dabei allerdings in der Regel die schwierigeren Gesprächspartner. Sie drücken sich zwar oft präzise aus, tendieren aber auch dazu, Begriffe aus der Erwachsenensprache zu verwenden – womöglich rutscht ihnen ab und zu sogar ein Fremdwort heraus.
So konfrontieren Väter ihre Kinder mit einer Sprache, die sie auf die Kommunikation mit fremden Erwachsenen außerhalb der Familie vorbereiten (Gleason, 1975). Im Kontrast zu den vertrauten Mutter-Kind-Gesprächen, die vor allem das Sprachverständnis des Kindes befördern, fragen die Väter viel, schon weil sie das kindliche Kauderwelsch oft nicht verstehen, und sie korrigieren es auch wenig. Damit lernen die Kinder, unbekümmert zu sprechen. Und das nicht nur über Dinge und Ereignisse, sondern auch über ihre Gedanken und Vorstellungen. Das fördert das Vertrauen des Kindes in die eigene Sprachfähigkeit, weckt aber auch Vertrauen in sein allgemeines Verständnis für den Dialog und überhaupt dafür, wie man kommuniziert (Rowe, Leech & Cabrera, 2017; Teufel … & Ahnert, 2020).
Darüber hinaus scheinen Väter mit einem akademischen Hintergrund eine besondere Affinität zur Beschäftigung ihrer Kinder mit Büchern zu haben. Und das ist nicht nur gut für die Sprachentwicklung, sondern hat noch einen anderen Effekt: Die Kinder lernen Bücher zu schätzen. Das wiederum erhöht die Chance, dass sie sich irgendwann selbst gern Bücher vornehmen und so in Eigenregie später auch ihr Wissen erweitern und vertiefen (zum Beispiel Sims & Coley, 2016).
Wetteifern in Regelspielen
Bei Fantasie- und Rollenspielen, die die Möglichkeit eröffnen, die Sprachwie auch die Denkentwicklung des Kindes zu fördern, machen Väter – unabhängig von ihren eigenen Bildungswegen – in der Regel eine gute Figur. Sie passen sich dem spielenden Kind an, sind wertschätzend und ordnen sich den Spielideen unter (Tamis-LeMonda et al., 2004).
Und wetteifern Vater und Kind in Regelspielen miteinander – wie beispielsweise beim „Mensch-Ärgere- Dich-Nicht“ –, entwickelt das Kind eine gesunde Wettbewerbsmotivation, da die Väter im Vergleich zu Müttern mehr auf die Regeln achten und Regelverstöße konsequenter sanktionieren. Während Mütter kleine Schummeleien eher auch mal wissentlich übersehen, haben Väter oft eine eigene Wettbewerbsmotivation und strengen sich selbst ernsthaft an, um zu gewinnen. So lernen die Kinder Siege richtig zu erkämpfen, aber auch Niederlagen zu akzeptieren und Enttäuschungen wegzustecken.
Vorliebe für Rauf- und Tobespiele
Väter haben aber im Allgemeinen vor allem eine Vorliebe für wilde Rauf- und Tobespiele, die gut für die Entwicklung des Körpergefühls und der Emotionsregulation des Kindes sind. Diese Erkenntnis stand über lange Zeit einem Befund entgegen, nach der Kinder, die sehr häufig toben und deren Väter die Situation auch noch stark anheizen, weitaus aggressiver und weniger empathisch als andere Kinder seien (Flanders et al., 2010). Interessanterweise lieferten belastbare Nachfolgestudien das genaue Gegenteil (zum Beispiel StGeorge & Freeman, 2017; Ahnert et al., 2017): Danach ließen häufige Erfahrungen mit wilden Bewegungs-, Rauf- und Tobespielen die Kinder sogar sozial kompetenter erscheinen. Sie waren weniger aggressiv und ausgeglichener im Umgang mit anderen Kindern und wurden im Kindergarten wie in der Grundschule als verträglicher und beliebter als die meisten anderen Kinder eingeschätzt.
Es besteht daher kein Zweifel, dass Väter mit Rauf- und Tobespielen wirksam zur Entwicklung ihrer Kinder beitragen (siehe auch Teufl & Ahnert, 2022). Allerdings sollten sie dabei dem Kind auch Schutz und Sicherheit gewähren (Ahnert & Schoppe- Sullivan, 2020; Ahnert et al., 2017; Großmann et al., 2002), um das Vertrauen des Kindes nicht zu riskieren.
Die Vater-Kind-Bindung – die aus vielfältigen vertrauensvollen Alltagssituationen mit dem Kind erwächst – ist der Persönlichkeitsentwicklung des Kindes äußerst dienlich und zeichnet sich unter anderem dadurch aus, dass sie sowohl die kindliche Stressregulation als auch Neugier, Lernfreude und Anstrengungsbereitschaft befördert (zum Beispiel Brown & Cox, 2020; Deichmann & Ahnert, 2021).
Der Text enthält Auszüge und Literaturangaben aus: Lieselotte Ahnert, Auf die Väter kommt es an – Wie ihr Denken, Fühlen und Handeln unsere Kinder von Anfang an prägen, Ullstein-Verlag Berlin 2023.
Quelle: „Forschung & Lehre“: https://www.forschung-und-lehre.de/karriere/aktuelle-vaeterforschung-und-besonderheiten-bei-akademikern-7156