OGH Entscheidung – Kontaktrecht
Die Eltern von J* trennten sich bereits vor seiner Geburt. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter, der auch die alleinige Obsorge zukommt. Seit der Geburt von J* kam es zu fünf zeitlich begrenzten Kontakten mit dem Vater bei einer von der Mutter vorgeschlagenen Eltern-Kind-Beraterin. Zu weiteren Kontakten kam es nicht, weil die Mutter mittlerweile das Vertrauen zur Eltern-Kind-Beraterin verloren hat. Die Vertrauensbasis zwischen der Mutter und dem Vater ist gestört und die Kommunikation zwischen ihnen schlecht bzw. kaum vorhanden, weil die Mutter Kontakte zum Vater derzeit ablehnt. Das Erstgericht räumte dem Vater gemäß § 107 AußStrG ein vorläufiges wöchentliches Kontaktrecht in einem Besuchscafé in der Dauer von 30 Minuten für die ersten beiden, von 40 Minuten für die beiden anschließenden und von einer Stunde für alle weiteren Kontakte zum damals fünf Monate alten Kind ein. Die Mutter geht dagegen in Rekurs, welcher aber abgelehnt wird.
3.2. Gemäß § 187 Abs 1 ABGB hat die Regelung des Kontaktrechts nicht nur die Wahrung, sondern auch die Anbahnung des besonderen Naheverhältnisses zwischen Eltern und Kind sicherzustellen. Das Alter, die Bedürfnisse und die Wünsche des Kindes sowie die Intensität der bisherigen Beziehung sind dabei besonders zu berücksichtigen (§ 187 Abs 1 letzter Satz ABGB). Vor diesem Hintergrund sind nach der Rechtsprechung bei Kleinkindern im Allgemeinen häufigere, jedoch kürzere Kontakte zu bevorzugen (RS0047735 [T11, T13]; 7 Ob 198/14i).
3.3. Soweit die Mutter belastbare Kriterien und eine darauf aufbauende eingehende Auseinandersetzung mit den Auswirkungen eines Kontaktrechts auf das Wohl von Kleinkindern im Alter von J* vermisst, übersieht sie, dass verlässliche Kontakte sowie sichere Bindungen des Kindes zu beiden Elternteilen gemäß § 138 Z 9 ABGB zu den maßgebenden Kriterien für die Beurteilung des Kindeswohls gehören. Dementsprechend ist in der Rechtsprechung anerkannt, dass der Kontakt zu beiden Eltern für eine gedeihliche Entwicklung des Kindes grundsätzlich erforderlich ist und daher im wohlverstandenen Interesse des Kindes liegt (RS0048072; vgl RS0047754 [insb T2, T8]), solange dadurch das Kindeswohl nicht gefährdet wird (vgl RS0047955; RS0047754). Eine weitgehende Entfremdung widerspricht dagegen dem Wohl des Kindes, weshalb grundsätzlich eine möglichst rasche, wenngleich behutsame Anbahnung von Kontakten geboten ist. Der Zweck des Kontaktrechts liegt in dieser Situation darin, die Entfremdung durch eine dem Kindeswohl entsprechende Ausgestaltung wieder abzubauen (RS0049070 [T17]; RS0048072 [T8]; 8 Ob 57/19v Pkt 1.) oder wie hier ein Naheverhältnis erstmals aufzubauen.
Angesichts dessen hält sich die Beurteilung der Vorinstanzen, dass es im Interesse von J* gelegen sei, möglichst früh eine vertrauensvolle Bindung zu seinem Vater zu entwickeln und daraus positive Erfahrungen zu gewinnen, sowie dass es dafür stabiler und verlässlicher Kontakte bedürfe, im Rahmen der Rechtsprechung. Dabei haben sie unter anderem das Alter von J* und die in einem liebevollen sowie behutsamen Umgang zum Ausdruck kommende Zuneigung des Vaters zu ihm berücksichtigt und das Vorliegen kindeswohlgefährdender Umstände verneint. Da die persönlichen Kontakte eine gewisse Intensität haben müssen, um ihrem Zweck, dem Aufbau und der Erhaltung eines Naheverhältnisses, gerecht zu werden (vgl RS0048072 [T6]; 8 Ob 47/21a Rz 9), hält sich die sukzessive Verlängerung der Kontakte auf letztlich eine Stunde wöchentlich im Rahmen des den Vorinstanzen zukommenden Entscheidungsspielraums. Den Bedenken der Mutter wird durch die Besuchsbegleitung und die Evaluierung der Besuchskontakte ausreichend Rechnung getragen.
Dr. B r e n n, Oberster Gerichtshof
Wien, am 24. September 2025
