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OGH Entscheidung – Bestellung eines Kinderbeistands in einem Obsorge- und Kontaktrechtsverfahren nach Scheidung der Eltern

4Ob105/25g — OGH am 22.07.2025
Sachverhalt: Nach der Scheidung der Eltern im Jahr 2020 und einem Obsorge- und Kontaktrechtsstreit wohnen die vier minderjährigen Kinder seit 2023 beim Vater, der die alleinige Obsorge hat. Die mütterlichen Großeltern beantragten ein Kontaktrecht zu den Enkeln, was der Vater ablehnte. Das Erstgericht bestellte für die beiden älteren Kinder einen Kinderbeistand gemäß § 104a AußStrG, da sie sich in einem Loyalitätskonflikt befinden und aufgrund der Ablehnung des Vaters selbst Kontakte zu den Großeltern ablehnen würden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Der Kinderbeistand soll die Kinder unterstützen, ihre Interessen wahren und ihnen eine Äußerungsmöglichkeit geben. Der Vater legte einen außerordentlichen Revisionsrekurs ein, der jedoch mangels einer erheblichen Rechtsfrage zurückgewiesen wurde. Die Bestellung eines Kinderbeistands ist ein wichtiges Instrument zur Umsetzung der Rechte von Kindern auf Beteiligung am Verfahren und Meinungsäußerung nach Art 12 UN-KRK sowie zur Umsetzung des Anspruchs des Kindes auf beide Eltern gemäß Art 9 UN-KRK. Der Kinderbeistand fungiert als Ansprechpartner und Vertrauter des Kindes, nicht als gesetzlicher Vertreter, und soll dessen Beistand und Sprachrohr sein.Spruch: Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.Rechtliche Beurteilung:Der Oberste Gerichtshof (OGH) bestätigt in seiner Entscheidung die Bestellung eines Kinderbeistands gemäß § 104a AußStrG für zwei minderjährige Kinder im Rahmen eines Kontaktrechtsverfahrens der mütterlichen Großeltern und weist den außerordentlichen Revisionsrekurs des Vaters zurück.Der OGH stellt klar, dass die Bestellung eines Kinderbeistands weder einen verfahrensleitenden Beschluss im Sinne des § 45 2. Satz AußStrG (RS0129692) noch einen rein vermögensrechtlichen Anspruch nach § 62 Abs 3 AußStrG darstellt, weshalb der Beschluss selbständig und streitwertunabhängig anfechtbar ist.Nach § 104a Abs 1 AußStrG ist ein Kinderbeistand in Verfahren über die Obsorge oder das Recht auf persönlichen Verkehr für Minderjährige unter 14 (allenfalls 16) Jahren von Amts wegen zu bestellen, wenn dies aufgrund der Intensität der Auseinandersetzung zwischen den übrigen Parteien zur Unterstützung des Minderjährigen geboten ist und geeignete Personen zur Verfügung stehen (vgl. 1 Ob 72/15t).Der OGH betont die Funktion des Kinderbeistands als Ansprechpartner und Vertrauter des Kindes, nicht als gesetzlicher Vertreter. Er fungiert als „Bote und Überbringer des Kindeswillens“ mit Unterstützungs- und Beistandsfunktion (5 Ob 106/20d, RS0134494). Im Zentrum der Beurteilung steht ausschließlich das Interesse und Wohl des betroffenen Kindes, wobei gegenläufige Interessen anderer Verfahrensbeteiligter, einschließlich des Interesses an der Vermeidung von Verfahrenskosten, keine Berücksichtigung finden können (8 Ob 19/11v).Die Bestellung eines Kinderbeistands ist insbesondere dann geboten, wenn eine gütliche Einigung der Streitparteien nicht möglich ist, diese deutliche Differenzen aufweisen, sachlichen Argumenten nicht mehr zugänglich sind und das Kind durch das Verfahren emotional schwerwiegend belastet und in einem Loyalitätskonflikt verstrickt wird (8 Ob 19/11v, 5 Ob 106/20d). Die Beurteilung, ob eine Auseinandersetzung von der in § 104a AußStrG geforderten Intensität stattfindet, obliegt dem gebundenen Ermessen des Gerichts und kann nur nach den Umständen des Einzelfalls erfolgen (RS0126752).Der OGH stellt klar, dass weder der potenzielle „Mehrwert“ eines Kinderbeistands noch die Frage, ob Besuchskontakte tatsächlich zustande kommen können, im Bestellungsverfahren zu prüfen sind (8 Ob 19/11v). Die Verschwiegenheitspflicht des Kinderbeistands ermöglicht es dem Kind, sich anzuvertrauen, ohne befürchten zu müssen, dass das Gesagte gegen seinen Willen im Verfahren bekannt wird. Daher wird die Bestellung eines Kinderbeistands durch eine Anhörung des Kindes vor Gericht, einem Sachverständigen oder der Kinder- und Jugendhilfe nicht obsolet (8 Ob 19/11v).Im vorliegenden Fall sah der OGH die Bestellung als gerechtfertigt an, da sich aus dem Vorbringen des Vaters und der expliziten Angabe des älteren Sohnes gegenüber der Kinder- und Jugendhilfe, er sei „hin- und hergerissen, wem er glauben solle“, ein Loyalitätskonflikt ergab. Der Kinderbeistand wird die Minderjährigen nun bei der Frage unterstützen, ob und in welcher Form ein Kontakt mit den Großeltern ihren eigenen Wünschen und Bedürfnissen entspricht.

Zitierte Normen: § 62 Abs. 1 AußStrG · § 104a AußStrG · AußStrG · § 62 Abs. 3 AußStrG · § 104a Abs. 1 AußStrG


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